Schweizer Startup-Bewertungsmethoden: Von der Seed-Phase zur Serie A

Beim Fundraising von Schweizer Startups trifft die Bewertung auf die Theorie. Ein Züricher KI-Unternehmen könnte mit einer Methode eine Vorabbewertung von CHF 4 Millionen rechtfertigen, während ein Genfer Investor mit einer anderen Methode CHF 2,5 Millionen errechnet. Beide Parteien verhalten sich rational. Beide verwenden anerkannte Rahmenwerke. Die Kluft besteht, weil die Frühphasenbewertung keine Berechnung mit einer einzigen richtigen Antwort ist. Es handelt sich um ein strukturiertes Gespräch, bei dem die Methodik die Sprache vorgibt.

Für Schweizer Gründer, die sich auf eine Kapitalbeschaffung vorbereiten, hilft das Verständnis der Bewertungsmethoden, kostspielige Fehler zu vermeiden. Wer in einer Seed-Runde 40% seines Unternehmens verschenkt, weil er seinen Wert nicht erklären kann, hat wenig Spielraum für künftiges Wachstum. Für Investoren, die Gelegenheiten in den Bereichen Immobilien, Kreditvergabe und Startup-Beteiligungen prüfen, ist die Kenntnis der Bewertungsmethoden der entscheidende Faktor, um kluge Entscheidungen von teuren Glücksspielen zu unterscheiden. Dieser Artikel erläutert die Methoden, die Schweizer Investoren und Gründer tatsächlich anwenden, die Phase, in der jede Methode funktioniert, und den Kontext des Schweizer Marktes.

Warum die traditionelle Bewertung für Startups nicht mehr funktioniert

Die Bewertungsmethoden für börsennotierte Unternehmen umfassen jahrelange geprüfte Finanzberichte, vorhersehbare Cashflows und an der Börse gehandelte Vergleichsdaten. Start-ups in der Anfangsphase haben keines dieser Assets. Ein medizintechnisches Spin-off der EPFL, das noch keine Umsätze erzielt, hat einen Prototyp, eine Patentanmeldung und ein Team von Wissenschaftlern. Es gibt keine Gewinne zu diskontieren, keine Cashflows zu modellieren und keine perfekt vergleichbaren Unternehmen, mit denen man sich messen könnte.

Das Fehlen traditioneller Maßstäbe bedeutet nicht, dass die Bewertung willkürlich ist. Es bedeutet, dass sich die Methoden ändern müssen. Schweizer Investoren haben Rahmenwerke entwickelt, die mit dem arbeiten, was Startups in jeder Phase haben. Dazu gehören die Qualität des Teams, die Marktgröße, das technologische Risiko und die strategischen Beziehungen. Das Ziel ist nicht Präzision. Das Ziel ist die Vertretbarkeit. Sowohl Gründer als auch Investoren brauchen eine rationale Grundlage für die von ihnen vorgeschlagene Zahl.

Die fünf Hauptbewertungsmethoden

Berkus-Methode: Wertaufbau von Null an

Die Berkus-Methode ordnet fünf Aspekten eines Startups vor dem Umsatz einen finanziellen Wert zu. Jeder Aspekt reduziert ein bestimmtes Risiko. Die Methode beginnt bei Null und baut nach oben auf, anstatt von einem vergleichbaren Marktwert nach unten zu gehen.

Die fünf Aspekte und ihr Schweizer Kontext:

  1. Eine gute Idee: Das Geschäftskonzept adressiert ein reales Problem in einem grossen Markt. Eine Nischenlösung, die nur für den Schweizer Markt bestimmt ist, hat einen begrenzten Wert. Eine skalierbare Idee, die auf globale Märkte abzielt, hat einen hohen Wert.
  2. Prototyp: Es existiert ein funktionierender Proof-of-Concept. Bei Softwareunternehmen könnte dieser Beweis ein Minimum Viable Product (MVP) sein. Bei Hardware-Startups könnte dieser Beweis ein Funktionsmodell sein. Der Prototyp zeigt, dass die Idee in der Praxis funktionieren kann.
  3. Qualitätsmanagement-Team: Die Gründer verfügen über einschlägige Erfahrungen und Fachkenntnisse. Ein Team mit früheren Erfolgen bei der Gründung eines Unternehmens, fundierten Branchenkenntnissen oder technischen Spitzenqualifikationen der ETH oder EPFL erhält eine hohe Punktzahl. Ein unerfahrenes Team schneidet schlechter ab.
  4. Strategische Beziehungen: Das Startup hat sich Partnerschaften oder Kundenkontakte gesichert. Eine Vereinbarung über ein Pilotprojekt mit einem großen Schweizer Unternehmen wie Novartis, Nestlé oder UBS zeigt den Wert. Diese Beziehungen verringern das Risiko des Marktzugangs.
  5. Produkteinführung: Es gibt einen Nachweis für die Kundennachfrage. Bei Unternehmen, die noch keine Umsätze erzielt haben, könnte dieser Nachweis eine Warteliste potenzieller Kunden oder unterzeichnete Absichtserklärungen umfassen.

Die Standardmethode sieht bis zu USD 500’000 pro Aspekt vor. Für Schweizer Startups ist eine direkte Umrechnung in CHF 0 bis CHF 500’000 pro Aspekt ist allgemein akzeptiert. Diese Umrechnung führt zu einer maximalen Pre-Money-Bewertung von CHF 2,5 Millionen.

Wann sollte diese Methode angewendet werden? Pre-Seed-Phase, wenn das Unternehmen noch keine Umsätze erzielt und oft noch keinen Prototyp entwickelt hat. Die Berkus-Methode bietet einen Ausgangspunkt für Verhandlungen.

Wichtige Einschränkung: Der Höchstbetrag von 500’000 CHF pro Kategorie ist eine allgemeine Regel, die nicht immer eingehalten wird. Sie ist nicht an spezifische Marktdaten gebunden. Die Methode ist subjektiv und hängt stark von der Beurteilung ab.

Risikofaktor-Summationsmethode: Bereinigung um spezifische Risiken

Die Risikofaktor-Summationsmethode beginnt mit einer Basisbewertung für ein vergleichbares Start-up-Unternehmen in der Region, das noch keine Umsätze erzielt hat. Diese Basisbewertung wird dann auf der Grundlage bestimmter Risikofaktoren nach oben oder unten angepasst.

Der Prozess:

  1. Bestimmen Sie eine Basisbewertung (unter Verwendung regionaler Daten oder der unten beschriebenen Scorecard-Methode).
  2. Bewerten Sie jeden Risikofaktor auf einer Skala (z. B. von sehr negativ bis sehr positiv).
  3. Weisen Sie für jeden Faktor eine monetäre Anpassung zu.
  4. Zählen Sie die Anpassungen zusammen und addieren Sie sie zur Basisbewertung oder ziehen Sie sie davon ab.

Sieben kritische Risikokategorien für Schweizer Startups:

  • Management-Team: Die Kompetenz, Vollständigkeit und Erfahrung des Gründerteams. Ein Team mit Lücken in wichtigen Rollen (kein CFO, kein technischer Mitgründer) erhält eine negative Anpassung. Ein vollständiges, erfahrenes Team erhält eine positive Anpassung.
  • Regulatorisches Risiko: Kontrollpunkte von Regulierungsbehörden wie der FINMA für Fintech-Unternehmen oder Swissmedic für Medizinprodukte. Ein klarer Regulierungspfad reduziert das Risiko. Ein unsicherer Zulassungsprozess erhöht das Risiko.
  • Geistiges Eigentum: Die Stärke und Anfechtbarkeit von Patenten, insbesondere bei ETH- und EPFL-Spin-offs. Starke, angemeldete Patente verringern das Risiko. Schwaches oder angefochtenes geistiges Eigentum erhöht das Risiko.
  • Markt- und Wettbewerbsrisiko: Die Größe des relevanten Marktes und die Stärke der Wettbewerber. Ein großer, wachsender Markt mit wenigen beherrschenden Akteuren ist positiv. Ein überfüllter, wettbewerbsintensiver Markt ist negativ.
  • Technologisches Risiko: Ob die Technologie bewährt und vertretbar ist. Eine Technologie, die auf veröffentlichten Forschungsergebnissen und einem erfolgreichen Konzeptnachweis beruht, ist weniger riskant. Eine unbewiesene Technologie, die erhebliche Forschung und Entwicklung erfordert, ist mit einem höheren Risiko verbunden.
  • Vertriebs- und Marketingrisiko: Ob das Team mit vertretbarem Aufwand Kunden gewinnen kann. Ein klarer Weg, um Kunden zu gewinnen, ist positiv. Ein unklarer Weg, um Kunden zu gewinnen, ist negativ.
  • Finanzierungsrisiko: Das Risiko, die nächste Finanzierungsrunde nicht aufbringen zu können. Starkes Investoreninteresse und ein klarer Weg zur Rentabilität verringern dieses Risiko. Die Abhängigkeit von einer einzigen Finanzierungsquelle erhöht es.

Die Anpassungsbereiche variieren je nach Investor und Geschäft. Regulatorische und IP-Risiken werden bei Deep-Tech- und Medtech-Deals oft am stärksten gewichtet.

Wann sollte diese Methode angewendet werden? Seed-Stadium, wenn genügend Informationen vorhanden sind, um spezifische Risiken zu bewerten, aber die Ertragsdaten noch begrenzt sind.

Scorecard-Methode: Vergleich mit Marktdurchschnittswerten

Die Scorecard-Methode (auch Bill-Payne-Methode genannt) vergleicht das Zielunternehmen mit dem Durchschnitt anderer kürzlich finanzierter Start-ups in derselben Region und Branche. Es handelt sich um einen relativen Bewertungsansatz.

Der Prozess:

  1. Ermitteln Sie die durchschnittliche Pre-Money-Bewertung ähnlicher Geschäfte in der Schweiz. Dieser Durchschnitt wird zur Basisbewertung. Wenn beispielsweise SaaS-Unternehmen in der Startphase in der Schweiz vor kurzem eine Pre-Money-Bewertung von CHF 2,5 Millionen erreicht haben, ist dies der Ausgangspunkt.
  2. Gewichten Sie die Schlüsselfaktoren nach ihrer Bedeutung für den Erfolg. Die Gewichte müssen sich zu 100% addieren.
  3. Vergleichen Sie die Zielanlaufzeit mit dem Durchschnitt für jeden Faktor. Wenn die Inbetriebnahme stärker als der Durchschnitt ist, geben Sie einen Prozentsatz über 100% an. Ist sie schwächer, geben Sie einen Prozentsatz unter 100% an.
  4. Berechnen Sie einen gewichteten Durchschnittsfaktor und multiplizieren Sie ihn mit der Basisbewertung.

Gemeinsame Vergleichsfaktoren:

  • Stärke des Teams (oft gewichtet 25-30%)
  • Größe der Chance (oft gewichtet 20-25%)
  • Produkt oder Technologie (oft gewichtet 10-15%)
  • Wettbewerbsfähiges Umfeld (oft gewichtet 5-10%)
  • Marketing und Vertriebskanäle (oft gewichtet 5-10%)
  • Bedarf an zusätzlichen Investitionen (oft gewichtet 5-10%)

Wann sollte diese Methode angewendet werden? Pre-Seed- und Seed-Stadium. Die Scorecard-Methode ist datengestützter als die Berkus-Methode, da sie sich an Marktdurchschnittswerten orientiert. Angel-Gruppen wie SICTIC bevorzugen diesen Ansatz, weil er die Diskussion auf vergleichbare Geschäfte stützt.

Cost-to-Duplicate-Methode: Festlegen einer Untergrenze

Bei der Cost-to-Duplicate-Methode werden die Kosten berechnet, die erforderlich sind, um die Vermögenswerte des Start-ups von Grund auf aufzubauen. Diese Berechnung ist kein Hinweis auf den Wert des Unternehmens. Sie legt eine Untergrenze fest, unter die die Bewertung nicht fallen sollte.

Kosten inbegriffen:

  • Gehälter von Entwicklern und Ingenieuren zu Marktpreisen
  • Hardware- und Infrastrukturkosten
  • Patentanmeldung und Rechtskosten
  • Materielle Güter und Prototypen

Warum diese Berechnung eine Untergrenze ausweist: Ein Investor könnte das Unternehmen theoretisch nachbilden, indem er diesen Betrag zahlt. Der tatsächliche Wert sollte höher sein, um immaterielle Werte (wie Teamzusammenhalt, Marktzugkraft, Markenbekanntheit und Markteinführungszeitvorteil) zu berücksichtigen.

Schweizerische kantonale Kostenunterschiede: Die Kosten für die Einstellung von drei Ingenieuren in Zürich oder Genf sind wesentlich höher als im Tessin oder Wallis. Ein leitender Software-Ingenieur in Zürich kann ein Gehalt von CHF 130’000 oder mehr benötigen. Eine ähnliche Stelle in einem kostengünstigeren Kanton könnte für CHF 110’000 abgedeckt werden. Bei einem fünfköpfigen Team wirkt sich dieser Unterschied direkt auf die Berechnung der Cost-to-Duplicate aus. Ein in Zürich ansässiges Startup-Unternehmen wird eine höhere Kostenuntergrenze haben als ein identisches Startup-Unternehmen in einem kostengünstigeren Kanton.

Wann sollte diese Methode angewendet werden? Als unterstützende Berechnung neben anderen Methoden. Sie ist besonders nützlich für Hardware-Unternehmen oder Deep-Tech-Startups mit erheblichen F&E-Ausgaben.

VC-Methode: Vom Ausstieg rückwärts arbeiten

Die VC-Methode (Venture-Capital-Methode) geht von einem potenziellen künftigen Ausstieg aus, um die aktuelle Bewertung zu ermitteln, die ein Investor zahlen kann, während er seine gewünschte Rendite erzielt.

Die Grundformel:

  1. Schätzen Sie den Exit-Wert (Endwert): Multiplizieren Sie den prognostizierten Umsatz im Ausstiegsjahr mit einem branchenüblichen Ausstiegsmultiplikator. Wenn ein Unternehmen beispielsweise für das siebte Jahr mit einem Umsatz von 20 Millionen CHF rechnet und ähnliche Unternehmen mit dem fünffachen Umsatz aussteigen, beträgt der geschätzte Ausstiegswert 100 Millionen CHF.
  2. Berechnen Sie die Post-Money-Bewertung: Dividieren Sie den Exit-Wert durch das gewünschte ROI-Multiple. Wenn ein Investor eine 20-fache Rendite benötigt, lautet die Berechnung: 100 Mio. CHF ÷ 20 = 5 Mio. CHF Post-Money-Bewertung.
  3. Berechnen Sie die Pre-Money-Bewertung: Ziehen Sie den Investitionsbetrag von der Post-Money-Bewertung ab. Wenn der Anleger 1 Million CHF investiert, beträgt die Pre-Money-Bewertung 5 Millionen CHF - 1 Million CHF = 4 Millionen CHF.

Typische erforderliche ROI-Multiplikatoren: Risikokapitalgeber müssen die hohe Misserfolgsquote in ihrem Portfolio berücksichtigen. Realistische ROI-Ziele variieren je nach Stadium:

  • Saatgut-Stadium: 20x bis 40x
  • Serie A: 10x bis 15x
  • Serie B und später: 5x bis 7x

Wenn diese Methode praktikabel wird: Sobald ein Startup ein vorhersehbares Geschäftsmodell und eine erste Traktion hat. Bei dieser Traktion kann es sich um Einnahmen oder ein starkes Nutzerwachstum handeln. Umsatzprognosen für einen Ausstieg in fünf bis sieben Jahren müssen zumindest plausibel sein. Die VC-Methode wird in der Regel in der Serie A und späteren Runden nützlich.

Diskontierter Cashflow (DCF): Warum er bei Startups scheitert

Die DCF-Methode eignet sich für reife, stabile Unternehmen mit mehrjährigen positiven, vorhersehbaren Cashflows. Sie eignet sich gut für die Bewertung eines profitablen KMU, das übernommen werden soll. Sie eignet sich nicht für Start-ups in der Frühphase.

Warum DCF scheitert:

  1. Negative und unsichere Zahlungsströme: Die meisten Neugründungen verbrauchen jahrelang Geld, bevor sie Rentabilität erreichen.
  2. Unzuverlässige Prognosen: Die Vorhersage von Einnahmen und Kosten in fünf bis zehn Jahren ist für ein Unternehmen in der Anfangsphase reine Spekulation. Kleine Änderungen in den Annahmen führen zu massiven Änderungen in der berechneten Bewertung.
  3. Unpraktisch hohe Abzinsungssätze: Der Abzinsungssatz muss dem enormen Risiko des Scheiterns Rechnung tragen. Bei Neugründungen in der Frühphase kann dieser Satz 50% bis 100% übersteigen. Bei diesen Sätzen wird der Gegenwartswert der künftigen Cashflows vernachlässigbar. Das Modell führt zu sinnlosen Ergebnissen.

Ein Gründer, der ein DCF-Modell für ein Startup vor dem Umsatz vorlegt, signalisiert ein grundlegendes Missverständnis der Startup-Finanzierung. Investoren betrachten diese Art der Präsentation als ein Warnsignal.

Schweizer Marktkontext und -normen

Typische Rundengrößen nach Stufe

Die Finanzierungsrunden von Schweizer Start-ups folgen allgemeinen Mustern, mit einigen sektoralen Unterschieden:

Vorsaat: CHF 0,5 Millionen bis CHF 2 Millionen in den meisten Sektoren.

Saatgut: CHF 1 Million bis CHF 5 Millionen. Deep-Tech- und Biotech-Startups liegen aufgrund des Kapital- und F&E-Bedarfs oft im oberen Bereich (3 Mio. CHF oder mehr).

Serie A: CHF 5 Millionen bis CHF 15 Millionen. Biotech-Unternehmen können deutlich mehr aufbringen (20 Mio. CHF oder mehr). Fintech- und SaaS-Unternehmen fallen in der Regel in die Standardspanne.

Diese Bandbreiten spiegeln die Marktbedingungen im Jahr 2024 und Anfang 2025 wider. 

SICTIC-Bewertungsleitfaden

SICTIC, das Schweizer Netzwerk der Angel-Investoren, veröffentlicht einen Leitfaden, der besagt, dass von Engeln geführte Transaktionen eine Bewertung von 8 Millionen CHF vor dem Geld nicht überschreiten sollten. Bei dieser Zahl handelt es sich um eine allgemeine Regel, nicht um eine feste Grenze.

Die Argumentation: SICTIC-Mitglieder sind Angel-Investoren, keine Risikokapitalfonds. Eine Bewertung von mehr als 8 Mio. CHF bedeutet in der Regel, dass das Unternehmen reif ist und einen Kapitalbedarf hat, der die Kapazität eines einzelnen Angels übersteigt. Auf diesem Bewertungsniveau entsprechen die geforderten Gelder und die Due-Diligence-Prüfung oft professionellen VC-Standards.

Es gibt Ausnahmen: Heiße Geschäfte mit starker Zugkraft, erfahrenen Gründern oder wettbewerbsfähigen Finanzierungsrunden, an denen auch VCs beteiligt sind, können diese Schwelle überschreiten. Es gibt jedoch nicht viele rein von Engeln geführte Finanzierungsrunden über 8 Millionen CHF vor dem Geld. 

Standard-Verdünnungsbereiche

Die Normen des Schweizer Startup-Ökosystems legen erwartete Verwässerungsspannen fest:

Saatgut-Stadium: 20% bis 30% sind Standard. Gründer, die in einer Seed-Runde mehr als 30% des Unternehmens aufgeben, sind ein Warnsignal. Eine starke frühe Verwässerung erschwert künftige Runden und kann das Gründerteam demotivieren.

Serie A: 10% bis 20% sind die Norm.

Diese Zahlen werden von der Swiss Startup Association und den kantonalen Organisationen zur Unterstützung von Start-ups weitgehend bestätigt. Es handelt sich zwar nicht um strenge Regeln, aber Abweichungen müssen gut begründet werden. Eine geringere Verwässerung kann durch eine sehr hohe Bewertung in einer Wettbewerbsrunde gerechtfertigt sein. Eine höhere Verwässerung kann akzeptiert werden, wenn sich das Unternehmen in einer prekären Situation befindet und Kapital zum Überleben benötigt.

Die Wahl der richtigen Methode für Ihre Bühne

Die geeignete Bewertungsmethode hängt von der Phase des Startups und den verfügbaren Daten ab:

Idee / Pre-Seed-Stadium: Das Unternehmen hat keine Einnahmen und oft auch kein Produkt. Verwenden Sie die Berkus-Methode als primären Rahmen. Die Cost-to-Duplicate-Methode kann eine Untergrenze für die Bewertung festlegen.

Saatgut-Stadium: Das Unternehmen hat ein Minimum Viable Product und minimale oder keine Einnahmen. Verwenden Sie die Scorecard-Methode oder die Risikofaktor-Summationsmethode als primären Rahmen. Die Berkus-Methode kann eine sekundäre Kontrolle bieten.

Serie A: Das Unternehmen hat einen Produkt-Markt-Fit mit frühen Einnahmen oder starkem Nutzerwachstum erreicht. Verwenden Sie die VC-Methode als primären Rahmen. Die Scorecard-Methode kann vergleichbare Marktdaten liefern.

Serie B und später: Das Unternehmen steigert seine Einnahmen mit vorhersehbaren Kennzahlen. Verwenden Sie die VC-Methode und die Analyse vergleichbarer Transaktionen. Die DCF-Methode ist nur für reife Unternehmen mit stabilem Cashflow geeignet.

In der Praxis können die Schweizer Investoren Methoden kombinieren. Die Angel-Investoren des SICTIC-Netzwerks verwenden häufig die Scorecard-Methode, da sie die Diskussionen auf Marktvergleiche stützt. Bei Deep-Tech-Spin-offs der ETH oder EPFL kombinieren die Investoren häufig die Cost-to-Duplicate-Methode (zur Bewertung von IP und F&E-Aufwand) mit der Risikofaktor-Summationsmethode (zur Berücksichtigung technischer und regulatorischer Risiken). Bei der endgültigen Bewertung werden fast immer mehrere Methoden kombiniert und anschließend verhandelt.

Wie Bewertungsverhandlungen tatsächlich funktionieren

Es ist wichtig, die Methoden zu verstehen, aber es ist nicht alles, was zu tun ist. Eine endgültige Bewertung muss ausgehandelt werden. Es gibt keine einzige korrekte Zahl, die man mit einer Tabellenkalkulation ermitteln kann. 

Die Marktbedingungen sind wichtig: In Sektoren, die bei Investoren auf großes Interesse stoßen (KI und Klimatechnologie ab 2025), erhalten Startups hohe Bewertungen. Das gleiche Unternehmen in einem weniger angesagten Sektor würde eine niedrigere Bewertung erhalten. Investoren haben Angst, wettbewerbsfähige Angebote zu verpassen und zahlen mehr für den Zugang.

Wettbewerbsfähige Termsheets ändern alles: Das mächtigste Instrument, das einem Gründer zur Verfügung steht, sind mehrere renommierte Investoren, die um eine Investition konkurrieren. Dieser Wettbewerb validiert das Start-up und treibt die Bewertung in die Höhe. Die Verhandlungen verlagern sich von der Frage “Was sind Sie wert?” zu der Frage “Zu welchen Bedingungen wird das Geschäft zustande kommen?”

Wenn Investoren weggehen: Investoren brechen Verhandlungen mit Gründern ab, mit denen es schwierig ist, zusammenzuarbeiten (z. B. wenn sie sagen, sie wüssten alles, nicht auf Ratschläge hören oder zu viel Geld verlangen, ohne dies zu belegen). Ein wichtiges Warnsignal ist ein Gründer, der seinen Bewertungsansatz nicht erklären kann oder jegliches Feedback ignoriert.

Wenn Gründer weggehen: Gründer steigen aus Verhandlungen mit Investoren aus, die Bewertungen anbieten, die den Investoren einen zu großen Anteil am Unternehmen geben würden (z. B. mehr als 35% bis 40% des Unternehmens in einer Seed-Runde). Sie verzichten auch auf wettbewerbsverzerrende Bedingungen, wie z. B. zu hohe Liquidationspräferenzen oder aggressive Kontrollklauseln, selbst wenn die Bewertung selbst fair erscheint.

Verhandlungsspielraum ist vorhanden: Das erste Angebot ist selten die endgültige Zahl. Bewertungsgespräche beinhalten in der Regel ein Geben und Nehmen sowohl bei der Zahl als auch bei den Bedingungen. Ein Gründer, der 4 Mio. CHF sucht, und ein Investor, der 3 Mio. CHF bietet, könnten sich realistischerweise auf 3,5 Mio. CHF mit angepassten Bedingungen einigen.

Praxisbeispiele aus dem Schweizer Ökosystem

Schweizer Medtech-Startup (EPFL Spin-Off)

Kontext: Ein aus der EPFL ausgegliedertes Medizintechnik-Unternehmen, das noch keine Umsätze erzielt hat, sucht eine Seed-Runde.

Bewertungsansatz: DCF und die VC-Methode sind ungeeignet, weil das Unternehmen noch keine Einnahmen und kein vorhersehbares Geschäftsmodell hat. Die Diskussion konzentriert sich auf zwei Methoden:

  1. Kosten für Duplikate: Die Gründer betonen die jahrelange Forschung im Rahmen ihrer Promotion, die Kosten für die Patentanmeldung und die Entwicklungskosten für den Prototyp. Diese Berechnung legt eine Bewertungsuntergrenze fest.
  2. Summierung der Risikofaktoren: Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht die Risikominderung. Die Gründer argumentieren für positive Anpassungen, die auf einem klaren regulatorischen Pfad mit Swissmedic, starken angemeldeten Patenten und einem berühmten wissenschaftlichen Gründer basieren. Der Investor analysiert das Ausführungsrisiko und die kommerzielle Lebensfähigkeit. Die endgültige Bewertung ergibt sich aus der Abwägung dieser Risikofaktoren.

Schweizer AI-Startup (mit Sitz in Zürich)

Kontext: Das Unternehmen hat ein MVP und mehrere Pilotkunden. Es bemüht sich um eine Anschubfinanzierung.

Bewertungsansatz: Die Scorecard-Methode wird zum primären Rahmen. Das Startup wird mit den jüngsten KI-Deals in der Schweiz verglichen. Die Gründer argumentieren für eine hohe Punktzahl bei der Qualität des Teams (ehemalige Google-Mitarbeiter, KI-Absolventen der ETH) und der Stärke der Technologie. Der Investor prüft das Wettbewerbsrisiko (ist der Markt überfüllt?) und das Marktakzeptanzrisiko (werden die Kunden für diese Lösung bezahlen?). Die endgültige Bewertung ergibt sich aus dem Vergleich mit anderen KI-Unternehmen in der Startphase.

Fintech in der Wachstumsphase (mit Sitz in Genf)

Kontext: Das Unternehmen hat einen wiederkehrenden Jahresumsatz (ARR) von CHF 3 Millionen und strebt eine Serie-A-Runde an.

Bewertungsansatz: Die VC-Methode dominiert nun die Diskussion. Das Gespräch konzentriert sich auf das Exit-Potenzial. Kann dieses Unternehmen einen ARR von CHF 50 Millionen erreichen? Zu welchen Multiplikatoren werden öffentliche Fintech-Unternehmen gehandelt? Die Bewertung steht in direktem Zusammenhang mit diesen Zukunftsannahmen und dem ROI, den der Series-A-Investor benötigt, um seine Fondsrendite zu erzielen.

Rote Flaggen und häufige Fehler

Für Investoren bei der Bewertung von Geschäften

Überhöhte Bewertungen: Ein erfahrener Investor erkennt unrealistische Bewertungen, indem er einen schnellen Scorecard-Vergleich mit seinem Wissen über die jüngsten Transaktionen durchführt. Ein Gründer, der 10 Mio. CHF Pre-Money verlangt, aber nur eine Idee und keinen Prototyp hat, ist sofort ein rotes Tuch.

Unrealistische Projektionen: Eine Prognose ist unrealistisch, wenn sie die Marktgröße, die Wettbewerbsdynamik und die Kosten für die Kundengewinnung außer Acht lässt. Ein Plan, der zeigt, dass ein Startup mit einem Zweipersonen-Verkaufsteam innerhalb von drei Jahren 50% eines globalen Marktes erobern kann, deutet auf mangelndes Verständnis oder Unehrlichkeit hin.

Verdünnungseffekt ignorieren: Ein Gründer, der auf einer sehr hohen Startkapitalbewertung besteht (z. B. 15 Mio. CHF vor dem Startkapital), ohne dass die Traktion dies rechtfertigt, schafft Probleme. Diese überhöhte Bewertung macht die Aufnahme einer Serie A zu einer höheren Bewertung extrem schwierig. Das Unternehmen riskiert eine Abwärtsrunde, was das Team demotivieren und Verwässerungsschutzklauseln auslösen kann, die Gründern schaden.

Für Gründer, die Kapital aufnehmen

Unterbewertung des Unternehmens: Der häufigste Gründerfehler besteht darin, sich nur auf das benötigte Kapital zu konzentrieren. Wenn ein Gründer CHF 500’000 benötigt und ein Investor dies für 40% des Unternehmens bietet, beträgt die implizite Bewertung vor dem Geld nur CHF 750’000. Diese übermässige Verwässerung demotiviert das Gründerteam und erschwert zukünftige Finanzierungsrunden. Gründerinnen und Gründer sollten zuerst eine realistische Bewertung mit geeigneten Methoden berechnen. Dann bestimmen sie eine angemessene Verwässerung.

Anwendung der falschen Methode für die Bühne: Wenn ein Gründer, der noch keine Umsätze erzielt hat, ein Zehn-Jahres-DCF-Modell vorstellt, zeigt dies ein grundlegendes Missverständnis der Startup-Finanzierung. Diese Präsentation ist ein wichtiges Warnsignal für Investoren. Sie deutet darauf hin, dass der Gründer nicht lernfähig ist oder schlecht beraten wurde. Gründer müssen Methoden verwenden, die für ihr Stadium und die verfügbaren Daten geeignet sind.

Geografische Erwägungen: Ein ETH- oder EPFL-Spin-off zu sein, ist ein wichtiges Glaubwürdigkeitssignal. Diese Verbindung wirkt sich positiv auf die Teamqualität und die Technologiefaktoren in den Scorecard- und Risikofaktor-Methoden aus. Sie führt nicht automatisch zu einer höheren Bewertung, aber sie macht eine vorgeschlagene Bewertung leichter zu verteidigen. Investoren können negative Risikoanpassungen vornehmen, wenn die Technologietransferstelle der Universität schwierige oder unklare Rechte an dem geistigen Eigentum behält.

Ein Fintech-Startup in Zürich hat eine grössere Nähe zu Banken und Finanzfachleuten. Diese Nähe kann ein positiver Faktor für strategische Beziehungen in Bewertungsgesprächen sein. Ein Deep-Tech-Hardware-Startup im Ökosystem der EPFL in Lausanne hat ähnliche Vorteile in den Bereichen Life Sciences und Health Tech.

Der wahre Zweck von Bewertungsmethoden

Bewertungsmethoden für Start-ups in der Frühphase liefern keine präzisen Antworten. Sie liefern realistische Spannen. Sowohl Investoren als auch Gründer brauchen einen rationalen Rahmen, um ihre Positionen zu untermauern. Die Berkus-Methode, die Scorecard-Methode, die Risikofaktor-Summierung und die VC-Methode bieten diese gemeinsame Sprache.

Für Investoren, die Möglichkeiten auf den Schweizer Märkten für alternatives Kapital evaluieren, trennt Bewertungskompetenz informierte Portfolioentscheidungen von teuren Fehlern. Das Verständnis dafür, wann eine Bewertung von CHF 5 Millionen vor dem Geld für ein Startup in der Anfangsphase angemessen ist (starkes Team, nachgewiesene Traktion, wettbewerbsfähige Runde) und wann sie übertrieben ist (Ideenstadium, kein Produkt, ein einziger Investor), verhindert Situationen, in denen das Kapital schlecht zugeteilt wird.

Für Gründer, die sich mit der Mittelbeschaffung befassen, ist es wichtig, diese Methoden zu kennen, um zwei kostspielige Fehler zu vermeiden: die Unterbewertung des Unternehmens und die frühzeitige Abgabe von zu viel Eigenkapital oder die Überbewertung des Unternehmens, die zu einer Down-Round-Falle führt, die eine Finanzierung der Serie A unmöglich macht.

Die endgültige Bewertung wird fast immer ausgehandelt. Die Marktbedingungen, die Wettbewerbsdynamik und die individuelle Risikotoleranz beeinflussen alle das Ergebnis. Aber Verhandlung ohne Methodik ist willkürlich. Methodik ohne Verhandlung ist naiv. Schweizer Investoren und Gründer, die beide Dimensionen beherrschen, können bessere Geschäfte abschließen.

Über CapiWell

CapiWell ist die erste Multi-Asset-Privatkapitalplattform der Schweiz, die Investoren mit Möglichkeiten in den Bereichen Immobilien, KMU-Kredite und Start-ups in der Wachstumsphase zusammenbringt. Für Investoren, die Zugang zu Schweizer Unternehmen suchen, die die frühe Risikophase überschritten haben, aber noch nicht an der Börse notiert sind, bietet CapiWell ein strukturiertes Engagement im Schweizer Innovations-Ökosystem. 

Referenzen

Dieser Artikel fasst die Grundsätze der Bewertungsmethodik aus der Angel-Investor-Literatur und den Leitlinien für das Schweizer Startup-Ökosystem zusammen, insbesondere aus dem SICTIC Angel Investor Handbook und den Ressourcen der Swiss Startup Association. Die Daten zur Rundengrösse spiegeln die Marktbeobachtungen des Swiss Venture Capital Report und der wichtigsten Schweizer Startup-Plattformen für die Jahre 2024-2025 wider.

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