Was macht einen guten Startup-Pitch aus?

Gründer, die mit größerer kognitiver Komplexität kommunizieren, sichern sich wesentlich höhere Investitionen.

Der strategische Wert von Nuancen in Pitches für Unternehmen in der Wachstumsphase

Eine groß angelegte linguistische Studie der Universität Passau, der TU München und der TU Dortmund hat zu einem Ergebnis geführt, das der gängigen Praxis widerspricht. Gründer, die sich kognitiv komplexer ausdrücken, sichern sich deutlich höhere Investitionen. Das Ergebnis ist keine stilistische Kuriosität. Es verdeutlicht, wie Investoren Kompetenz in einem von Unsicherheit geprägten Umfeld bewerten, und kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Schweizer Unternehmen in der Wachstumsphase mit einer selektiveren Kapitalallokation konfrontiert sind.

Beweise aus einer der weltweit wettbewerbsintensivsten Pitch-Phasen

Die in Entrepreneurship Theory and Practice veröffentlichte Studie untersucht 547 Pitches aus TechCrunchs Startup Battlefield, einer Arena, deren Teilnehmer mehr als 8,8 Milliarden US-Dollar aufgebracht haben. Mithilfe computergestützter linguistischer Analysen haben die Forscher den Grad der kognitiven Komplexität jedes Pitches gemessen. Anschließend haben sie die in den folgenden zwölf Monaten aufgebrachten Kapitalbeträge nachverfolgt. Pitches mit einer nuancierteren, bedingten und differenzierten Sprache führten zu durchschnittlich 125.000 US-Dollar zusätzlich.

Um diesen Mechanismus zu überprüfen, führten die Forscher ein randomisiertes Experiment mit 240 Managern durch. Die Teilnehmer bewerteten identische Pitch-Texte, die sich lediglich in ihrer sprachlichen Konstruktion unterschieden. Die nuancierteren Versionen erzielten durchweg höhere Werte hinsichtlich der Investitionswahrscheinlichkeit. Investoren scheinen Komplexität nicht als Verwirrung zu interpretieren, sondern als Beweis für die Fähigkeit des Gründers, unter Unsicherheit strategisch zu denken.

Warum Nuancen das Vertrauen der Anleger stärken

Kognitive Komplexität bezieht sich auf die Fähigkeit, einen Markt, eine Strategie oder ein Risikoprofil durch Konditionalität und Differenzierung zu artikulieren. Sie signalisiert, dass ein Gründer über ein einzelnes Ergebnis hinausblickt. Investoren, insbesondere im Bereich Risikokapital, reagieren darauf, weil ihre Entscheidungen davon abhängen, wie gut Teams mit unvollständigen Informationen umgehen können. Sehr lineare Erzählungen lassen oft Zweifel an der Tiefe der dahinterstehenden Analyse aufkommen. Im Schweizer Kontext wird diese Dynamik noch verstärkt. Wachstumsbranchen wie Biotechnologie, fortschrittliche Werkstoffe, Robotik und KI sind mit langen Entwicklungszyklen, regulatorischen Hürden und kapitalintensiver Skalierung verbunden. Investoren erwarten von Gründern, dass sie diese Realitäten anerkennen. Wenn sie dies tun, steigt ihre Glaubwürdigkeit.

Eine Schweizer Finanzierungslandschaft, die nun Reife verlangt

Laut dem Swiss Startup Venture Capital Report Update 2025 haben Schweizer Start-ups in der ersten Jahreshälfte 2025 in 124 Finanzierungsrunden 1,474 Milliarden Schweizer Franken aufgebracht. Das Gesamtvolumen bleibt zwar stark, doch die Hürden für Wachstumsfinanzierungen sind gestiegen. Investoren wählen weniger Unternehmen aus und prüfen deren Argumentation gründlicher. In diesem Umfeld fungiert der Pitch als Diagnosewerkzeug. Er zeigt, wie Gründer Märkte analysieren, wie sie für Eventualitäten planen und wie sie Reibungen interpretieren. Die Ergebnisse aus Passau deuten darauf hin, dass sprachliche Nuancen als sichtbares Signal für diese analytische Reife dienen. Dies ist vor allem beim Übergang von der frühen Traktion zur Skalierung von Bedeutung, wenn zwar Belege vorliegen, die Volatilität aber weiterhin hoch ist.

Raffinesse von Undurchsichtigkeit unterscheiden

Die Studie befürwortet keine komplizierte Sprache oder akademische Formulierungen. Sie identifiziert eine positive Reaktion auf strukturiertes, kontextbezogenes Denken. Nur eine kleine Minderheit der Gründer in der Stichprobe riskierte es, ihre Botschaft zu kompliziert zu gestalten. Weitaus mehr neigten zu einer übermäßigen Vereinfachung, was Investoren oft als mangelnde Vorbereitung interpretieren.

Effektive Pitches verbinden heute Klarheit mit vielschichtiger Argumentation.

Sie vermeiden Slogans und legen stattdessen dar, wie ein Unternehmen mit seinem Umfeld interagiert. Dazu gehören der Regulierungsprozess in der Medizintechnik, Unternehmensverkaufszyklen in der Softwarebranche, industrielle Lieferabhängigkeiten in der Hardwarebranche oder die Preissensibilität in der Klimatechnologiebranche. Investoren bewerten, ob Gründer ein realistisches Verständnis dieser Variablen vorweisen können.

Warum Nuancen in einem globalisierten Investorenumfeld wichtig sind

Schweizer Start-ups beschaffen sich zunehmend Finanzmittel von internationalen Konsortien. Die Teams präsentieren ihre Ideen nicht nur inländischen Risikokapitalfonds, sondern auch europäischen und US-amerikanischen Investoren, die die Kommunikation anhand globaler Standards bewerten. Eine Präsentation, die sich auf pauschale Aussagen stützt, kommt selten gut an. Ein Pitch, der Kontext, Konditionalität und Kalibrierung integriert, signalisiert die Bereitschaft zur grenzüberschreitenden Skalierung. Insbesondere in Deep-Tech-Sektoren zeichnen sich Gründer häufig durch technische Tiefe aus, scheitern jedoch an der strategischen Erzählung. Die Daten aus Passau legen eine klare Lösung nahe: Artikulieren Sie, wie das Unternehmen mit Unsicherheiten umgeht, anstatt zu versuchen, diese aus der Geschichte zu streichen.

Wie man Komplexität anwendet, ohne an Klarheit zu verlieren

01 Zeigen Sie bewusste Nuancen statt absoluter Behauptungen.
Ausdrücke wie “wahrscheinlich”, “möglich”, “abhängig von der Entwicklung” oder “unter bestimmten Bedingungen” zeigen, dass Sie Unsicherheiten erkennen und sich darauf vorbereitet haben.

02 Ziele, Märkte, Risiken und Wege differenzieren.
Vermeiden Sie es, nur einen einzigen Erfolgskurs zu präsentieren. Skizzieren Sie mehrere strategische Szenarien und erläutern Sie, wie Sie in jedem einzelnen vorgehen würden.

03 Setzen Sie Ihre Aussagen in einen Kontext.
Diskutieren Sie Wettbewerbsdynamiken, regulatorische Rahmenbedingungen, Kundenverhalten und Kostentreiber. So verankern Sie Ihre Vision in den realen Bedingungen Ihres Marktes.

04 Bleiben Sie leidenschaftlich, aber reflektiert.
Investoren reagieren positiv auf Überzeugungskraft, wenn diese auf Analysen basiert. Verbinden Sie Ehrgeiz mit einer nüchternen Einschätzung der Lage.

05 Passen Sie Ihre Sprache an Ihr Publikum an.
Institutionelle Investoren, Unternehmens-VCs und erfahrene Angel-Investoren sind empfänglicher für differenzierte Argumente als unerfahrene Geldgeber. Passen Sie Ihre Präsentation entsprechend an.

Gründer, denen es gelingt, diese Art der differenzierten Kommunikation mit soliden Kennzahlen und disziplinierter Umsetzung zu verbinden, setzen zunehmend Maßstäbe in der Schweizer Wachstumsfinanzierung. In einem Markt, in dem immer weniger Unternehmen immer größere Finanzierungen erhalten, ist das Pitching weniger eine Marketingmaßnahme als vielmehr ein Stresstest für das Denken des Gründungsteams. Diejenigen, die mit ihrer Sprache zeigen, wie sie mit Unsicherheiten umgehen, anstatt sie zu verbergen, positionieren sich dort, wo selektives Kapital derzeit am ehesten fließt.

Referenzen (APA)

  • Entrepreneurship Theory and Practice. (2025). Kognitive Komplexität in unternehmerischen Pitches und der Entscheidungsfindung von Investoren. Universität Passau, TU München & TU Dortmund. https://doi.org/10.1177/10422587251347042
  • TechCrunch. (2024). Startup Battlefield: Ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens und Investitionsergebnisse. San Francisco: TechCrunch Media.
  • Schweizer Risikokapitalbericht. (2025). Aktualisierung des Schweizer Risikokapitalberichts 2025. SECA, Startupticker.ch & Startup.ch.
  • Venturelab. (2025). Schweizer Start-up-Finanzierungen erreichen im ersten Halbjahr 2025 1,5 Milliarden Franken. Zürich: Venturelab AG. https://www.venturelab.swiss
  • StartupBlink. (2024). Bericht zum Startup-Ökosystem der Schweiz. Tel Aviv: StartupBlink Research.
  • Startupticker.ch. (2025). Schweizer Finanzierungsrunden 2025: Daten und Analysen. Zürich: Startupticker.ch.

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